Tibetische Kräuterheilkunde

Die letzten Wochen war ich mit Nepal beschäftigt, jetzt habe ich Zeit, das Erlebte aufzuarbeiten. Einer der Höhepunkte meines Nepal Aufenthaltes war der Besuch in einer tibetischen Kräuterschule in Pokhara, in der es eine Ausbildung zum tibetischen Kräuterheilkundigen der Stufe 1 gibt. Am frühen Nachmittag sind wir mit dem Taxi mit dem Hausvater (arbeitet bei ACAP=Annapurna Conservation Area Projekt) mit dem Taxi zur Lo Kunphen Kräuterschule gefahren. Zur Begrüßung bekamen wir einen Buttertee- salziger Tee- mit Gebäck.

In dieser als Internat geführten Schule, siehe unten, wird tibetische Kindern eine Grundschule bis zur Stufe 10 angeboten. In der 9. und 10. Schulstufe können die Kinder zusätzlich eine Fachausbildung (in tibetischer Sprache) zum Kräuterheilkundigen der Stufe 1- Kangjinpa oder Community Medical Assistent- machen. Die Ausbildung dauert 2 Jahre Schule und 9 Monate Praxis in Begleitung eines erfahrenen Amchis, dabei können die Kangjinpa aber bereits in den Dörfern arbeiten. Die 2. Stufe der Ausbildung entspricht in etwas einer DGuKS -Durappa- und dauert 3 Jahre, kann aber wie die Ausbildung zum tibetischen Arzt (5 Jahre) nur in Indien gemacht werden. Es wird daran gearbeitet, die Ausbildung auch hier zu ermöglichen. Der Rektor der Schule ist ein tibetischer Arzt (Amchi) und macht auch Vorträge über die tibetische Medizin in Kathmandu und im Ausland z.B. Oxford.

In den Gläsern die Kräuter Kugerl

In den Gläsern die Kräuter Kugerl

Die Diagnosefindung in der tibetischen Medizin berücksichtigt folgende Aspekte:

  1. Ansehen, Beobachten: Haut und Körperform werden begutachtet, Augen und Zunge, wie auch der Urin werden untersucht
  2. Berühren: Berühren der Haut, der Patient wird berührt, die Temperatur sowie der Puls werden gefühlt
  3. Fragen: der Patient wird nach seinen Problemen und Lebensumständen befragt.

Es existieren vier Stufen der Behandlung:

  1. Verhaltensänderung: Die Hauptursache für Erkrankungen liegt zumeist in falschem Verhalten und falscher Ernährung. Fehler im Verhalten sollen herausgefunden und verändert werden.
  2. Ernährung: Diese stellt einen wichtigen Teil der Behandlung dar, mit falschen Gewohnheiten soll gebrochen werden, um die Balance der Elemente wiederherzustellen.
  3. Medikamentöse Therapie: Sollten Verhaltensänderung und Ernährungsumstellung keine Besserung bringen, wird Medizin auf Basis von Kräutern, Mineralien oder tierischen Substanzen verabreicht. Entweder in Form von Tee, Pulver aus Kräutern, Kugeln (gemahlenen Kräuter, gemischt und zu Kugeln geformt), in Butterfett ausgezogen oder in Bier. Eigentlich ähnlich wie bei uns, nur die Kräuter in Kugelform gibt es so nicht.
  4. Externe Therapien:
  • a) sanfte externe Therapien: Ku Nye (Massage), Wassertherapien, Kompressen
  • b) grobe externe Therapien: Moxibustion, Akupunktur, Operation, Aderlass
Der Rektor der Kräuterschule
Der Rektor der Kräuterschule

Informationen von der Webseite www.aragua.de

Diese Schule ist eine ganz besondere Schule.

Erstens liegt sie in Lo Manthang im Oberen Mustang in einer der sehr abgelegenen Gegenden Nepals angrenzend an Tibet im Transhimalaya. Die einzigen Verkehrsmittel sind Pferde und Tierkarawanen. In vielen Familien müssen die Kinder in der Landwirtschaft zum Selbsterhalt helfen und werden nicht zur Schule geschickt.

Zum zweiten liegt es aber auch an der inhaltlichen Ausrichtung. So gibt es einerseits einen regulären Schulbetrieb von der 1. bis zur 10. Klasse mit allen geforderten Schulfächern, um in der 8. Klasse das Examen auf Distrikt Ebene abzu egen und nach der 10. Klasse das offizielle landesweite SLC (School-Leaving-Certificate) den offiziellen Schulabschluss, zu erhalten. Darüber hinaus aber findet aber auch eine Ausbildung in tibetischer Medizin statt. Auch in unteren Klassen gibt es schon die Studienfächer Gesundheitsausbildung, Tibetische Medizin sowie Tibetisch, da alle Lehrtexte in tibetisch verfasst sind. Schwerpunktmäßig findet der Unterricht dann in den Klassen 9 und 10 statt. Hier können die Schüler parallel zum Schulabschluss einen eigenständigen Berufsausbildungsabschluss als Community Amchi Assistent, was in der Ausbildungsform einem Basic-Health-Worker (Dorfgesundheitshelfer) entspricht, mit offiziellem externem Examen ablegen.

Das Examen selbst prüft nicht nur die tibetische Medizin sondern auch Grundkenntnisse wie Erste Hilfe, Blutdruckmessen, Impfen und andere Anforderungen der allopathischen Medizin; vielleicht in etwa einer Arzthelferin entsprechend. Im Moment ist der nächste 2jährige Kurs gerade im Aufbau, in der tibetischen Medizin „Durrapa„, ebenfalls als staatlich anerkannte Berufsausbildung, dann zum Health-Assistent, was in etwa einer Krankenpflegerausbildung bzw. Gesundheitsposten in anderen Länder entsprechend wird. Schüler können sich, wenn sie wollen in diesen 2 Jahren in einer übergeordneten Schule in Pokhara. zusätzlich in einem Programm der Klasse 11 und 12 weiterbilden.

Der hauptsächliche Schulstandort ist in Lo Manthang, Hauptstadt des oberen Mustang. Dort findet über 7 Monate der Sommerschulbetrieb statt. Das Klima dort ist so hart, dass in den Winterzeiten über die Hälfte der Bevölkerung auf Grund der Kälte und nicht beheizten Häuser in tiefer gelegene Gebiete migriert.

Ein Schulunterricht ist unter diesen Bedingungen gar nicht möglich. So findet bereits seit langem eine Winterschule für 4 Monate im tiefer gelegenen Pokhara (ca. 8 Tagesmärsche zu Fuß) in gemäßigtem Klima statt. Die Schule hat jetzt seit 2009/2010 dort ein eigenes Gelände und Gebäude für die Winterschule. Die Klassen 7-10 bleiben ganzjährig in Pokhara, leben im Internatsteil des Gebäude und besuchen eine lokale SOS-Schule in Pokhara, die einen tibetischen Schwerpunkt hat. Es ist einfach fast unmöglich gute Lehrer für die höheren Klassen zu finden, die jedes Jahr hoch nach Lo Manthang und im Winter wieder zurück ziehen, so dass diese Zusammenarbeit sinnvoll ist. In diesen Schulgebäuden soll auch ganzjährig der Unterricht für den Durrapa-Kurs und weiterführende Schule statt finden. Aufgenommen werden Schüler aus dem oberen Mustang, vor allem aus den vielen umliegenden und zum Teil weit entfernten Dörfern, aber auch Schüler aus anderen abgelegenen Hochtälern in Nepal, die gerade an dem Gesamtausbildungsgang in tibetischer Medizin interessiert sind. Die Schule ist für viele aus der dortigen Bevölkerung sehr attraktiv aufgrund ihrer Wahrung des tibetischen kulturellen Hintergrunds und der speziellen Ausbildung. Die Schüler lernen drei Sprachen, Tibetisch, Nepalesisch und Englisch.

Gerade die älteren Schüler sind sehr hoch motiviert und lernwillig und verfolgen mit großem Ergeiz ihr Ziel eine Gesundheitsfürsorge als Amchi, also als tibetischer Mediziner, anbieten zu können. Sie wollen dann in ihre meist abgelegene Heimatgegend zurück und dort vor Ort den Leuten helfen.

Organisatorisch ist die Schule eine Non-Governement-Organisation und ist als Non-Profit-Organisation angemeldet. Sie nimmt kein Schulgeld! Ein solches könnten die meisten der Familien ohnehin nicht zahlen. Die Schule ist somit aber komplett von Unterstützung von außen abhängig.

An die Schule assoziiert sind Ambulanzen und eine Klinik, in der auch ein Teil der praktischen Ausbildung für die älteren Studenten statt findet, aber auch konkrete Gesundheitsversorgung der Bevölkerung. Ebenso wird in der Schule eigenständig Medizin hergestellt im Sinn der tibetischen Arznei und es besteht ein eigener Kräuteranbau auf Feldern in Lo Manthang. Es werden aber auch Exkursionen zur Kräutersammlung in die höher gelegenen Gebiete der Region durchgeführt. Hier wird besonders Wert auf eine ökologisch verträgliche Vorgehensweise bei Ernte und Erhalt der Pflanzen gelegt.

Die Schulgründer, die Brüder Tenzin Bista und Gyatso Bista, sind beide Amchis und stammen aus eine langen Familienlinie von Amchis. Ihr Vater war der überregional bekannte Amchi Lama Tashi Choesang Bista. Tenzin hat eine Klosterausbildung und ist ein Lama. Gyatso ist derzeit chairman der Himalayan Amchi Association(HAA). Die Unterstützung der Schule und Klinik wird im Moment vordringlich von mehreren Organisationen geleistet, die in einer Art Arbeitsteilung hier eng zusammen arbeiten.

So übernehmen wir als ARAGUA e. V. vordringlich die Grundabsicherung im Sinn von Schulpatenschaften oder Sponsoring, die dann die Lebenshaltungskosten, allem voran Essen aber auch Schulkleidung, Material, Unterkunft, medizinische Grundversorgung und Toilettenartikel abdeckt.

Die englische Organisation KINOE (Kids in Need for Education) hat die Schule seit der Gründungszeit vor jetzt 10 Jahre begleitet und wesentlich zum Aufbau beigetragen. Sie übernehmen über Spenden Teile des Grundbudgets der laufenden Kosten und der Lehrergehälter.

Die amerikanische Organisation DROKPA fördert gezielt vor allem die tibetische Medizin und hier insbesondere die Ambulatorien (Ambulanzen) und die Klinik, so auch den Aufbau neuer Ambulatorien in entfernten Dörfern. Zusätzliche Unterstützung kommt aus der Schweiz (Schulverein Lo Manthang) und durch Einzelspender aus Frankreich. VNN aus den Niederlanden haben vor allem den Aufbau der Winterschule in Pokhara mitfinanziert.

Im Moment besuchen knapp über 50 Schüler die Klassen 1-10 und wir hoffen sehr, den bisherigen Absolventen (bisher 9) die weitere Ausbildung gerade in der tibetischen Medizin für den nächsten 2-jährigen Aufbaukurs und auch ihre weitere höhere Schulbildung ermöglichen zu können.

Der Schulalltag

Der Fächerplan umfasst Tibetisch, Nepali, Englisch, Mathematik, Science, Social Studies, Health/Environment/Population, Tibetische Medizin, in Klasse 9 und 10 dann zusätzlich Unterricht im berufsbildenden Teil zum Gesundheitshelfer mit eigenem Examen und Fächern wie Health, Physiologie, Anatomie, Erstversorgung, Impfen …Der Tagesplan ist beeindruckend lang. Samstag ist der freie Tag der Woche, der auch zum Waschen am Fluss genutzt wird.

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Über Innergebirg

Mein Zuhause ist „Inneralpin“, das heißt in einem Tal der Hohen Tauern auf der „Sonnseite“. Beruflich bedingt- ich bin Diplomierte Gesundheits- und Krankenschwester- habe ich ein Interesse am gesund werden und bleiben. Vor einigen Jahren habe ich dann die Ausbildung zur TEH Praktikerin gemacht, aus Interesse und Liebe zur Natur und versuche nun mein Wissen durch Fortbildungen und gute Literatur zu vertiefen. Durch den TEH Verein (TEH= traditionelle europäische Heilkunde) bin ich auf das alte und fast vergessene Wissen unserer Vorfahren aufmerksam geworden. Durch diesen Blog sehe ich die Möglichkeit mit Gleichgesinnten in Kontakt zu treten und unser Wissen und Erfahrung auszutauschen und zu teilen, denn ich habe das Gefühl, das Interesse an „Lebensmittel“ und natürlichen Heilmitteln zur Unterstützung der Gesundheit wächst wieder.

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